Kali - die Schwarze Göttin
Man kennt sie als die vielarmige, grausame Göttin. Doch Kali ist
nicht nur böse, sondern die große Muttergöttin, die in
Indien unter vielen Namen verehrt wird.
All ihre Namen stehen für die unterschiedlichsten Aspekte ihres
Wesens das Shakti, die weiblich – göttliche Urenergie.
Sie ist die personifizierte Form des weiblichen Aspekt des Göttlichen.
Alle weiblichen Gottheiten ( Durga, Kali, Parvati, Saraswati ) sind
lediglich verschiedene Ausdrucksformen Shaktis.
Als Schöpferin und Lebensspenderin ist die göttliche Mutter
gütig und wohlwollend. Sie streckt allen Geschöpfen lächelnd
die Hände entgegen und fordert sie auf, zu ihr wie zu einer leiblichen
Mutter zu kommen. Sie steht auf der gleichen Stufe mit den drei Gottheiten
( Brama, Vishnu, Shiva ) Sie wird auch als Mata oder Mutter bezeichnet,
was „Mutter Indiens“ bedeutet. Sie wird als die Gemahlin Shivas beschrieben.
Die Form, in welcher Kali verehrt wird stammt aus ältester Steinzeit,
als man noch eine Erd- u. Himmelsgöttin verehrte, die alles Leben
erschafft und es auch wieder nimmt. Kein böser Zug ist dies, wie man
in unserer jetzigen Kultur geneigt ist zu glauben. Die Menschen jener Zeit
lebten im Gleichgewicht der Natur und Geborenwerden und Sterben muss, da
in ewigem Fluss, sich die Waage halten, wenn das Leben auf Erden gedeihen
soll. Damals verehrte man auch eine schwarze Himmelsgöttin, denn die
Nacht und das Geheimnisvolle ist von schwarzer Farbe.
Viel später dann, als ca. 1500 Jahre vor unserer Zeitrechnung die
Aryas in Indien einzufallen begannen war auch das Ende des Matriachats
oder von dem was davon noch übrig war, angebrochen. Die Aryas lebten
in einem strengen Patriachat. Nur Männer zählten, Frauen waren
nur die Begleiterinnen der Männer und der männlichen Götter.
Shiva konnte auch da Anerkennung finden, aber nicht Kali in ihrer ursprünglichen
Form. Und es kam noch ärger:
Die bodenständige Bevölkerung wurde durch die neuen Herrscher
unterdrückt und der untersten Kaste zugeordnet - sie wurden zu Unreinen,
Unberührbaren. Der Hass und Groll muss groß gewesen sein unter
jenen Menschen, die im Grunde genommen Erben einer viel höhere Kultur
waren, als es jene Hirtenkultur der Arias war. So wie man es auch heute
noch in Tibet sieht erwartet man sich Schutz von einer furchteinflößenden,
schaurig aussehenden Gottheit. Als die Verfolgten nunmehr zu Kali flehten,
suchten sie in ihr nicht mehr die große Mutter, sondern die große
Beschützerin. Der schreckliche, dämonische Aspekt von Kali rückte
dadurch in den Vordergrund und blieb bis heute erhalten.
Kali in ihrem nunmehr schrecklichen Erscheinungsbild als Schutzgottheit
wurde zur Schutzgöttin der Yogis. In den Tantras erfuhren ihre Attribute
eine andere Interpretation. Es sind die inneren Feinde und Schwächen
des Yogis, die jetzt durch Kali besiegt werden. Im Tantrismus ist sie die
große Befreierin und wird als solche verehrt und geliebt.
Den Yogis zufolge gibt es eine andere Legende:
Dieser Legende zufolge eroberten die Titanen die Götterwelt und
schlugen die Götter und all ihre Krieger in die Flucht. Ihr Anführer
und König war der grünhäutige Büffeldämon Mahishasura.
Die Götter traten vor Brahma, Vishnu, und Shiva und baten um Hilfe.
Da rötete sich das Antlitz von Vishnu vor Zorn und Licht schoss hervor.
Dasselbe geschah mit Brahma und Shiva. Die Flammen schossen in alle Richtungen
und erhellten alle Welten. Das Licht verdichtete sich und wurde zu Shiva
in weiblicher Gestalt, mit den Armen von Vishnu und den Füßen
von Brahma. Durga war geboren.
Die Götter eilten zu ihr, verneigten sich und beschenkten sie.
Vom Todesgott erhielt sie ein Seil, von Vayu, dem Windgott, Pfeil und Bogen,
Pinakadhrik gab ihr einen Dreizack, Krishna gab ihr den Diskus, Indra den
Donnerkeil und seinen weißen Elefanten, Varuna der Meeresgott gab
ihr ein Muschelhorn, der Herr der Wasser gab ihr eine Schlinge.
Versehen mit diesen Waffen stürzte sie sich voll Zorn auf Mahishasura.
Doch dieser hatte eine magische Gabe: sobald sein Blut den Boden berührte,
entstand ein neuer Mann in den Reihen der Asuras. Je mehr Durga also auf
die Asuras losging, umso mehr wurden es. In der Hitze ihres Zorns rief
Durga ihre mächtigste Erscheinung: Kali, die Zerstörerin. Aus
Durgas Braue sprang Kali. Sie war so schwarz wie die Nacht, in einem Tigerfell,
und trug eine Halskette aus Schädeln, einen Rock aus abgeschnittenen
Köpfen, und war mager, sah aus wie eine aufgestandene Leiche. Sie
war die Raserei selbst. Mit der Leidenschaft einer Muttersau die ihre Kinder
beschützt, begann sie die Armee der Asuras zu fressen. Kalis Hunger
und ihr Blutdurst waren für den Sieg notwendig. Sie fraß all
die neuen Gestalten des Titanenkönigs, trank das Blut aus seinen Wunden,
so dass er sich nicht mehr verdoppeln konnte, und am Ende fraß sie
ihn selbst auf.
Ohne jene symbolischen Aspekte der Auflösung (Vernichtung) wie
sie im Tantra gebracht werden und in Kali und Durga ihre Krönung haben,
wäre die hier gebrachte Symbolik des Yoga nicht komplett, es würde
ein wesentlicher Aspekt fehlen. Deshalb bekommt Kali hier jene Aufmerksamkeit,
welche ihr in ihrer Bedeutung zusteht.
Kali die Vernichterin der Unwissenheit
Kali die Befreierin von den Anhaftungen und Illusionen
Kali die Erneuerin, die das Alte vernichtet, damit Neues werden kann
- und so wenig es die Menschen zu glauben vermögen: hinter all
dem steht unendliche Liebe
Kali hat 100 Namen, so heißt es in Indien, aber die Anzahl ihrer
Namen ist grenzenlos, denn sie lebt in jedem Menschen, in jeder Ameise.
Ein jeder Stein ist eine Verdichtung ihres Bewusstseins.
Kali ist die Schwarze, Ihr Körper ist der Himmel der Nacht. Ihre
Augen sind das Licht der Sterne. Sie ist Schöpferin und Vernichterin
der Zeit. Die Schöpfung ist Ihr Traum.
Kali ist vierarmig und blauschwarz, unbekleidet bis auf eine Girlande
aus Köpfen und abgeschlagenen Armen als Schürze (Symbol für
Karma - Intention und Tat). Kali ist allmächtig, alles durchdringend,
die absolute Existenz jenseits der Furcht. Sie ist die Zerstörerin
von Maya, der aus Illusionen erschaffenen Welt. Ihre vollen Haare sind
Symbol für die Zeit. Sie ist wie der Mond, wenn sie abnimmt, den Tod
symbolisiert, wird sie dunkler und wenn sie zunimmt, sich dem Leben
zuwendet, wird sie heller.
Jüngere Darstellungen zeigen sie auf dem liegenden Körper
Shivas. Damit soll angedeutet werden, dass nach dem Tantrismus Shiva der
ruhende Aspekt ist (Bewusstsein) und Kali der dynamische Aspekt (die Schöpfung).
Es gibt von Kali viele Darstellungsformen: Dakshina Kalika, eine populäre
bengalische Darstellung. Bhadra (beschützenbde) Kali, als Muttergöttin
Kalikamata wird sie von der Sekte der Schaktas verehrt, als Entsprechung
von Shiva wird sie Bhairavi genannt. Weitere Namen sind Shmashana (Friedhofs-)
Kali, Guhya (geheimnisvolle) Kali, Chandi, die Grimmige, Mahakali, die
Große und viele andere.
So abstoßend einige ihrer Darstellungen auf viele Menschen des
Westens wirken müssen, nach hinduistischer Auffassung ist es töricht,
nicht erkennen zu wollen, dass die schrecklichen Seiten der Natur ebenso
ein Teil des göttlichen sind wie die freundlichen.
Besonders verehrt wird Kali von den Bengalen in Indien und den Tamilen
auf Sri Lanka. Die Bengalen feiern jeden Herbst ein prunkvolles Fest, die
Durgapusha, um Kali zu ehren und freundlich zu stimmen.
Die Feier dauert 10 Tage und Nächte, mit Musik und Tanz. In dieser
Zeit lebt die Göttin in all ihren Bildern uns Skulpturen. Am letzen
Tag des Festes werden die Bilder zum Ganges getragen und dort ins Wasser
getaucht, begleitet von Blumen, Musik und Duftschalen. Es werden Hunderte
von schwarzen Büffeln geopfert, weil diese die Dämonen symbolisieren
die Durga bekämpft.
Quellen:
die Legende ist frei nach dem Devimahatmyam-Epos
Kali Durga , Die Göttliche Mutter aus alter Vergangenheit
von Alfred Ballabene
http://www.paranormal.de/symbole/indien/prakriti/kali.htm
Die indischen Göttinnen: David Kinsley, Taschen Verlag: Frankfurt/
a. M., 2000.
© 2004 Daniela Reich-Perulli
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