Ritual für Astarte

Invokation:
Wunderschöne Göttin des Orients, Astarte, Ishtar, Inanna, die Du den Menschen nicht nur nahe bist, wenn Deine Zeichen, Mondsichel und Morgen- oder Abendstern am Himmel stehen, ich rufe Dich! Gib uns den Mut der Amazone, die Du bist, ebenso wie die Sinnlichkeit der der Liebenden, die Du genauso bist!

Orakel der Astarte:
Ich bin Morgen- und Abendstern, zu- und abnehmender Mond, Kriegerin und Entfacherin der Liebe. All das und noch mehr. Vielen von euch mag ich widersprüchlich erscheinen, sie sehen nur die eine Seite von mir, die ihnen in ihrer Engstirnigkeit besser gefällt, aber ich bin mehr als das. Ihr seht nur zwei Bilder von mir, dabei durchbreche ich alle Dualismen von Morgen- und Abendhimmel, denn ich trage die endlose Spirale der Zeit in mir, aufgerollt wie die Schlange Tiamat, die Schlange, die ich in den Händen trage.
Denn die Zeit, deren Herrin ich bin, ist mehr als nur linear und auch nicht zyklisch. Wohl läuft sie durch das Jahr, durch ein Leben, von Stille und Dunkelheit durch Licht und Aktivität wieder hin zu Stillstand und Tod, aber ebenso wie kein Jahr wie das andere ist, keines eurer Leben dem anderen gleicht, sind auch die Zyklen der Zeit nicht in sich geschlossen. Einen Kreis zu durchlaufen, hieße wie Sisyphos zu sein, niemals sich weiterentwickeln zu können, und das ist ebenso verwerflich wie ein dualistischer Esel zu sein, der zwischen den Heuhaufen von Licht und Dunkelheit verhungert.
Die Zeit ist weder linear noch ein Kreis. Als Mutter Tiamat rolle ich meinen endlosen Leib in Zyklen, die ewig fortschreiten und dennoch überschaubar bleiben.
Die Schlange ist das Symbol der Ewigkeit, denn sie streift, sich selbst verjüngend, die Haut ab, um ein Ei zu legen, das der Keim des Universums war.
Macht nicht den Fehler zu fragen, was zuerst da war, das Ei oder die Schlange! Ich bin beides zugleich, und der Drang nach Kausalität statt nach Ganzheitlichkeit ist ebenso verwerflich wie der Dualismus, der mich in eine "gute" und eine "böse" Seite teilen will.
Ich bin alles, was war, und alles, was jemals sein wird. Nehmt die Unendliche Schlange aus meinen Händen, die endlos und doch überschaubar ist, die zyklisch ist und doch mit jeder Windung Neues hervorbringt, die im Herzen jedes einzelnen von euch wohnt und sich zugleich um das ganze Universum ringelt. Denn im Mittelpunkt der Spirale sind wir alle Eins.

Priesterin:
Göttin, die Du zugleich die mächtige Kriegerin, die schmachtende Geliebte, die fürsorgliche Mutter bist, ich bitte Dich, nimm unsere Gaben an! So wie Du als Diana den Hirsch erlegt, als Inanna Deinen Gemahl Dumuzi in die Unterwelt gesandt hast, so hast Du als Isis Deinen geliebten Bruder Osiris wieder von den Toten erweckt.
(sie bietet Weihrauch dar)

Teilnehmerin:
Ich bitte Dich, Astarte, auch uns durch die Zyklen zu geleiten, so wie Du auch Deinem Gemahl immer wieder durch die Zyklen der Wiedergeburt zu neuem Leben verhilfst. Mögen unsere Inkarnationen uns weiser machen und unsere Seelen mit jeder Windung der Spirale reifer werden!
(sie bietet einen Kristall vor dem Altar dar)
Ich gebe diesen Kristall, der das Funkeln Deines Gestirns symbolisiert, in Deinen magischen Himmelsspiegel.
(legt den Kristall in die Wasserschale)

Priesterin:
Mögen Wasser und Kristall gesegnet sein durch den milden Schein von Abendstern und junger Mondsichel.
(sie hebt die Schale, alle Teilnehmer visualisieren silbernen Lichtglanz, der die Wasserschale durchströmt; Priesterin macht das Zeichen von Ankh und Mondsichel über der Schale. Nach der Zeremonie kann der Kristall zum Heilen oder zur Abwehr von Zaubern und zum Ziehen von Bannkreisen verwendet werden)

Priester/Teilnehmer:
Laßt uns nun den Spiralweg im Tempelgarten durchlaufen!
(Teilnehmer setzen sich in bequemer Meditationshaltung nieder. Leise, sphärische Instrumentalmusik als Untermalung ist angebracht)

Wir treten die Reise an, durch das Dolmentor der Göttin. Farbige Schleier wehen zwischen den hohen Steinen im Wind und verwehren Dir zunächst den Blick. Du durchschreitest das Rosa der Liebe, das belebende Rot der Kraft durchströmt Dich, durchschreitest das Grün der Gesundheit, das Blau der Spiritualität und das Indigo der Intuition.
Du hast die farbigen Schleier durchschritten und stehst in einem Tempelgarten mit niedrigen Hecken. Es ist Abend und die Luft ist voller würziger Gerüche.
Vielleicht riechst Du den Duft von Harz oder wilden Rosen. Die Sonne ist schon untergegangen, doch der Horizont  ist noch hell und dort erstrahlt der Abendstern neben der jungen Sichel des zunehmenden Mondes.
Schau Dich gut um. Vor Dir ist ein Weg, der als spiralförmiges Labyrinth zu einem kleinen, weißen Tempel führt. Es gibt auch einen direkten Weg zum Tempel. Welchen Weg möchtest Du gehen? Der Spiralweg ist zwar länger, führt aber zwischen duftenden Hecken hindurch und in jeder weiteren Windung der Spirale gibt es etwas Schönes zu entdecken. Das kann eine seltene, süß duftende Blume sein, oder ein kleines Vogelnest, oder eine wunderschöne Statue. Welche Schätze kannst DU dort finden?
All das sind Dinge, die Du auf dem geraden Weg zum Tempel übersehen hättest.
Mit der letzten Windung erreichst Du den Tempel. Ich möchte Dich einladen, ihn zu betreten. Der Raum des Tempels ist fast leer. Nur ein großer Stern mit 8 Strahlen aus Bergkristallen hängt an der Decke, genau über einem silbernen Spiegel, der den Boden bedeckt. Der Spiegel hat dunkle Flecken, die sein Alter verraten. Schau ihn Dir gut an, vielleicht erinnert er Dich an den Anblick des Vollmondes.
Ich möchte Dich bitten, gehe einmal auf die silberne Fläche des Spiegels.
Merkst Du, daß die Oberfläche nachgiebig ist? Tiefer und tiefer sinkst Du in den Spiegel, sinkst bis tief in den Spiegel hinein. Was kannst Du dort sehen oder hören oder riechen und fühlen? Deine Sinne nehmen all das auf, was Du dort findest.

*** Pause ***

Langsam ist es an der Zeit zurückzukehren. Nimm Abschied von den Bildern im Inneren des Spiegels und schwebe, schwimme, gehe ganz sicher, ganz angenehm und ganz von allein wieder zurück auf die Oberfläche des Spiegels. Um Dich herum kannst Du wieder deutlich den Raum des kleinen Tempels erkennen. Und der Boden unter Deinen Füßen ist ganz fest und sicher.
Es ist Zeit den Tempel zu verlassen und zurückzukehren. Ganz von selbst und ganz sicher findest Du den Weg zurück zum Dolmentor. Vorbei an den Schätzen des Labyrinths gehst Du zurück in den Tempelgarten und siehst dort das Dolmentor mit seinen bunten Schleiern.
Du durchschreitest das Indigo der Intuition, das Blau der Spiritualität, das Grün der Gesundheit, das belebende Rot der Kraft durchströmt Dich und das Rosa der Liebe.
Du hast die Schleier durchschritten und bist wieder ganz im hier und jetzt angekommen. Du fühlst Dich gestärkt und erfrischt und kannst Dich ganz deutlich an die Bilder aus dem Inneren des Spiegels erinnern. Wir öffnen ganz sanft die Augen.

(Die Teilnehmer berichten reihum von ihren Visionen. Die Wasserschale wird herumgereicht, Teilnehmer trinken jede(r) einen kleinen Schluck zur Kräftigung)

Priesterin:
Laßt uns nun zum Abschluß der Göttin Astarte danken für die Bilder, die sie uns in Ihrem Spiegel gezeigt hat, und alle Geschöpfe der Erde segnen.
(Teilnehmer danken jeder für sich im Stillen der Göttin)

Priesterin:
Im Namen der Göttin, die in allem ist, segne ich alles, was lebt:
die Seraphim, die Drachen und die Feen,
die Menschen, die Tiere und die Pflanzen,
das Plankton der Ozeane, den fruchtbaren Boden und den glühenden Kern unserer Mutter Erde selbst.

Teilnehmer:
So möge es sein!

- Ende -

© 2001 Diane Neisius / Barbara Stiller (Meditation).



© 2001 Bastet und Tefnut Iseum